Deutschland speckt ab – zumindest in Sachen Digitalisierung!

Einheitliche Suchmaschine statt bundeseinheitlicher Software.


99 Prozent aller staatlicher Verwaltungsleistungen laufen übers Internet. Zum Amt muss man nur noch für Eheschließungen, Scheidungen und beim Immobilienkauf. Klingt unglaublich? Ist aber wahr! Nur leider nicht in Deutschland, sondern in Estland.

Dabei haben wir uns in Deutschland so viel vorgenommen in Sachen E-Government. Im Onlinezugangsgesetz, kurz OZG, stehen 575 Verwaltungsleistungen, die bis Ende 2022 digitalisiert werden sollen. Aber was ist seit August 2017 passiert, als das Gesetz in Kraft getreten ist? Eine Recherche des WDR Ende März 2020 kommt zum Ergebnis, dass noch keine einzige Leistung online genutzt werden kann. Aber gut – bisher sind erst knapp drei Jahre vergangen. Also bleiben noch fast zweieinhalb Jahre Zeit…

Außerdem hat die Corona-Krise neuen Schwung in Sachen Digitalisierung gebracht. Denn sie hat ganz deutlich gezeigt, dass im E-Government Nachholbedarf besteht. Und zwar so deutlich, dass das Corona-Zukunftspaket zusätzlich 3 Mrd. Euro für das OZG vorsieht. Da kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen bis Ende 2022. Oder etwa doch?

Zumindest berichtet der Behörden-Spiegel von einem Beschluss des IT-Planungsrats im März 2020, den Portalverbund erst einmal zur Suchmaschine zu degradieren. Ziel ist es, “die technische Komplexität zu reduzieren und die Komponente “Suchen & Finden” zu priorisieren”. Wahrscheinlich, damit man schneller mit ersten konkreten Ergebnissen an die Öffentlichkeit kommt. „Suchen & Finden” sollte übrigens bis 30.06.2020 an den Start gehen. Wer danach sucht, wird aber wahrscheinlich noch nichts finden.

Leider gibt auch das „Digitale Engagement Profil“ unserer Bundeskanzlerin nicht viel Grund zur Hoffnung. Der Anfang Juli veröffentlichte Digital Engagement Report 2020 stellt fest, dass sich Angela Merkel mit 34 % auf den Ausbau von 5G fokussiert. Keine Frage, 5G ist ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierung. Nur scheint E-Government mit 8 % nicht zu den digitalen Leidenschaften zu gehören.

Übrigens – in Estland soll E-Government bald nicht mehr nur digital, sondern sogar in Teilen automatisiert ablaufen. Da können wir von den Esten echt noch etwas lernen. Und das tun wir auch: Seit Februar 2020 kooperiert Deutschland mit Estland in Sachen E-Health. Nortal, einer der wichtigsten Akteure bei E-Estonia, beteiligt sich am E-Rezept-Modellprojekt „MORE“. Im aktuell gestarteten Projekt PeopleID - einem zentralen Nutzerkonto für die digitale Identität der Bürger - ist Nortal ebenfalls mit dabei.